Rohrweihe-Männchen im Flug (Foto: Thomas Laumeier)
Weihenschutz im Kreis Warendorf
Projekt: KLARO – Kulturlandschaft für die Rohrweihe
Seit über zehn Jahren engagiert sich die NABU-Naturschutzstation Münsterland zusammen mit der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises Warendorf für den Schutz der Rohrweihe. Zu den Gefährdungsursachen der Art zählen Brutverluste bei der Ernte, Mangel an natürlichen Brutplätzen und auch der Ausbau der Windenergie. Bisher wurden vor allem Erfassungen der Brutpaare und Gelegeschutz durchgeführt.
Seit April 2025 ist von beiden Partnern das Artenhilfsprogramm „KLARO – Kulturlandschaft für die Rohrweihe im Kreis Warendorf“ gestartet worden.
Das Projekt setzt auf drei zentrale Maßnahmen:
- Optimierung, Wiederherstellung und Neuanlage von Biotopen, um sichere Brutplätze zu bieten, von denen auch andere Arten profitieren
- Brutplätze auf Acker und Grünland schützen – mithilfe von Drohnentechnik, um Nester frühzeitig zu erkennen und einer Ausmahd vorzubeugen
- Begleitforschung zu Bruterfolg, Lebensraumnutzung, Nahrung und Zugverhalten, um gezielte Schutzmaßnahmen entwickeln zu können.
Kurzbeschreibung der Art:
Die Rohrweihe ist ein mittelgroßer Greifvogel der Offenlandschaft, der am Boden brütet. Bevorzugt brütet die Art in Schilf oder Hochstaudenfluren an Kleingewässern oder entlang von Bachläufen. Es ist eine Zugvogelart, die ab Ende März bis Ende September im Brutgebiet zu beobachten ist. Im April findet die Balz statt. Die Eiablge beginnt ab Mitte/Ende April bis Mitte Mai. Die Jungvögel sind meist frühestens Anfang Juli bis spätestens Anfang August flügge.
Das Rohrweihen-Weibchen ist braun mit creme-gelblichem Kopf (Foto: Thomas Laumeier)
Das Gefieder des Rohrweihen-Männchens ist in der Regel grau-bräunlich mit schwarzen Flügelspitzen. Individuelle kleinere Farbvariationen sind hier bei der Art aber keine Seltenheit (Foto: Thomas Laumeier)
Gefahren:
Seit den 70er-Jahren werden zunehmend Brutplätze in Getreidefeldern und vereinzelt in Grünlandflächen festgestellt. Hier kann es bei der Ernte oder Mahd leicht zu Brutverlusten kommen. Etwa ein Drittel der Population im Kreis Warendorf zählt zu den „Ackerbrütern“. Unklar ist noch inwieweit die Rohrweihe von einer Abnahme des Nahrungsangebots in Folge der intensiven Landwirtschaft betroffen ist. Aufgrund ihres artspezifischen Verhaltens, wie der Flughöhe bei der Balz, ist die Rohrweihe in der Liste kollisionsgefährdeter Brutvogelarten mit besonderer Planungsrelevanz aufgeführt (UMK-Papier 2020). Im Hinblick auf den beschleunigten Ausbau von Windenergieanlagen (WEA) sowie einer Minimierung von verpflichtenden Prüfungen sind besondere Schutzmaßnahmen erforderlich.
Luftaufnahme eines Nestes mit vier Rohrweihen-Jungvögeln kurz vor der Ernte (Foto: Kristian Lilje)
Schutz:
Die Rohrweihe zählt zu den Arten im Anhang I der EU-Vogelschutzrichtlinie, für deren Schutz besondere Maßnahmen zu ergreifen sind. Die NABU-Naturschutzstation Münsterland und die Untere Naturschutzbehörde (UNB) setzen sich seit gut 10 Jahren in Abstimmung mit dem Land NRW für den Schutz der Rohrweihe im Kreis Warendorf ein. Die Zusammenarbeit mit den landwirtschaftlichen Betrieben und der Landwirtschaftskammer NRW sowie der Austausch mit weiteren Akteuren (z.B. Hegeringe, ehrenamtliche Vogelbeobachter*innen) sind dabei sehr wichtig.
Bestand:
Das Kreisgebiet Warendorf (1.317 km²) stellt mit knapp 100 Brutpaaren einen der bedeutendsten Rohrweihen-Schwerpunkte in Nordrhein-Westfalen dar. In Nordrhein-Westfalen gilt die Rohrweihe laut Roter Liste der Brutvögel als gefährdet (Sudmann et al. 2023). Für ganz Deutschland wird der Bestand auf 6.500 bis 9.000 Revierpaare geschätzt (Gedeon et al. 2019).
Verbreitung der Rohrweihe in Deutschland (Gedeon et al. 2014)
Verwechslungsmöglichkeiten: Wiesen- und Kornweihe
Neben der Rohrweihe kann im Kreis Warendorf sehr selten auch die etwas schlankere Wiesenweihe beobachtet werden. Die Anzahl festgestellter Brutpaare schwankt jahrweise zwischen 0 bis 3 Paaren, die im südlichen Kreisgebiet an der Grenze zum Kreis Soest vorkommen. Die Art gilt in NRW als „vom Aussterben bedroht“ (Sudmann et al. 2023) und daher ist es von besonderer Bedeutung, wenn sie bei der Erfassung der Rohrweihe zufällig mitentdeckt wird.
Die Kornweihe ist in Deutschland als Brutvogel noch seltener als die Wiesenweihe, und kommt hauptsächlich noch auf den Ost- und Nordfriesischen Inseln vor. Sie ist im Kreis Warendorf aktuell auf dem Durchzug, als Wintergast und selten als so genannter Übersommerer bei uns zu beobachten.
Neues Artenhilfsprogramm: KLARO – Kulturlandschaft für die Rohrweihe im Kreis Warendorf
Die NABU-Naturschutzstation Münsterland e. V. als Biologische Station im Kreis Warendorf und die Untere Naturschutzbehörde des Kreises Warendorf möchten gemeinsam wirksame Schutzmaßnahmen für die Rohrweihe im Kreis Warendorf umsetzen und weiterentwickeln. Brutverluste bei der Ernte, Mangel an natürlichen Brutplätzen und auch der Ausbau der Windenergie gefährden die Population der Rohrweihe. Durch Optimierung und Neuanlage von Biotopen, Gelegeschutz und Begleitforschung zur Maßnahmenerprobung soll der Erhalt des vorhandenen Bestands gesichert werden.
Wichtiger Bestandteil ist der Schutz und die Wiederherstellung von kleinen Feuchtgebieten – denn diese Biotope sind durch den Klimawandel besonders bedroht. Im Fokus steht damit nicht nur der Schutz der Rohrweihe selbst, sondern auch die Förderung einer artenreichen Kulturlandschaft, in der viele Tier und Pflanzenarten von den Maßnahmen profitieren. „Es sollen pro Jahr zwei neue Biotope angelegt werden und fünf vorhandene optimiert werden“ beschreibt die Projektleiterin der Unteren Naturschutzbehörde Alexandra Dropmann die praktischen Ziele. Besonders die bereits etablierte, erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft spielt dabei eine Schlüsselrolle – sei es durch Entschädigungsvereinbarungen für Nestschutzzonen oder durch neue Wege zum Schutz von Bodenbrütern. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen auch auf andere Regionen übertragbar sein, in Deutschland und darüber hinaus.
Regelmäßig genutzter Biotopbrutplatz (Foto: Aline Förster)
Brutbiotop bei Liesborn (Foto: Thomas Laumeier)
Wie werden Brutpaare erfasst?
An der Bestandserfassung der Rohrweihe sind vier langjährige Mitarbeiter*innen der NABU-Station involviert. Dabei sind auch Meldungen von Außenstehenden (z.B. Anwohner*innen) hilfreich. Anhand der Beobachtung balzender Tiere, von Beuteübergaben oder des Eintrags von Nistmaterial kann man darauf schließen, dass ein Brutplatz vorhanden ist. Mithilfe des Einsatzes einer (Wärmebild-)Drohne erhält man schnell Klarheit, ob tatsächlich ein Nest vorliegt. Das bedeutet einen effektiven, zielgerichteten Schutz, ähnlich wie auch bei der Kitzrettung. Landwirtschaftliche Flächen werden nur bei einem direkten Brutverdacht angeflogen und selbstverständlich werden keine Hofstellen überflogen. Nicht immer gelingt es auf Anhieb, den Brutplatz zu finden, aber grundsätzlich ist der Einsatz einer Drohne sehr hilfreich und vorteilhaft. Die Störung ist für das Brutpaar eher gering. Bei einer üblichen Flughöhe von 50 m bleibt das brütende Weibchen im Nest sitzen. Neben Bruten an Biotopstandorten finden sich Gelege in landwirtschaftlichen Flächen vor allem in Gerste und Raps, teils auch in Triticale oder Weizen.
Wärmebildaufnahme eines Rohrweihen-Brutplatzes im Getreide (Foto: Kristian Lilje)
Der Fundort wird dann an die LWK weitergeben, so dass der zuständige Biodiversitätsberater im Kreis den Erstkontakt zum Betrieb herstellen kann und einen groben Erntetermin erfragt. Liegt der Erntezeitpunkt voraussichtlich vor dem Flüggewerden der Jungen, meldet sich der/die Gebietsbetreuer/in der Naturschutzstation zwecks Absteckung einer Schutzzone. Die Untere Naturschutzbehörde sorgt für die Entschädigung des Betriebs. Die Entschädigungshöhe für eine 50 x 50 m Schutzzone richtet sich nach der Kultur (2025: z.B. Gerste 550,- oder Raps 490,-) und basiert auf Richtsätzen der Landwirtschaftskammer. Die Größe ist sinnvoll, da so ein natürlicher Schutz vor Nesträubern erhalten bleibt. In Einzelfällen, wie z.B. im Grünland kann eine kleinere Schutzzone mit ca. 20 x 20 m praktikabel sein. Kleine Schutzzonen sollten möglichst mit einem Elektrozaun gesichert werden, um Kükenverluste zu vermeiden. Die zusätzliche Maßnahme wird mit dem örtlichen Jagdpächter kommuniziert. Sobald die Jungvögel das Nest verlassen haben, kann der Restbestand abgeerntet werden, so dass die Fruchtfolge fortgeführt werden kann.
Rohrweihen-Schutzzone bei Ahlen in Gerste nach Ernte (Foto: Kristian Lilje)
Rohrweihen-Schutzzone in Gerste nach Ernte – südl. Beckum (Foto: Kristian Lilje)
Zu den geplanten Maßnahmen im Projekt gehören 1) die Analyse von Schwerpunktbereichen der Vorkommen im Kreisgebiet durch Erfassungen und GIS-Daten-Analyse, 2) der Schutz der Brutplätze von sogenannten Ackerbruten vor Ausmähen und Prädation, 3) die Wiederherstellung und Optimierung von ehemaligen und aktuellen Brutplätzen in Biotopen, z. B. in der Sukzession zu weit fortgeschrittenen Feuchtgebieten, 4) die Anlage und damit Neuschaffung solcher Biotope, 5) die Verbesserung der Nahrungssituation, 6) die Telemetrierung subadulter und adulter Rohrweihen, um zu einem besseren Verständnis des Verhaltens und der Raumnutzung und – daraus abgeleitet – zu weiteren wirksamen Schutzmaßnahmen zu kommen und 7) die Projektkoordination, das Projektmanagement sowie Maßnahmen zur Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, z.B. Workshops und Projektvorstellung bei unterschiedlichen Zielgruppen.
Informationen für Landwirte
Gelegeschutz auf Ackerflächen
Die Jungvögel von Weihenbruten im Wintergetreide fliegen oft erst nach dem geplanten Erntetermin aus und bedürfen deshalb des Schutzes vor dem Mähtod. Hierzu sollte in Zusammenarbeit mit den Landwirten um den Weihenhorst eine ausreichend große Zone des Getreides solange stehen gelassen werden, bis die Jungvögel flügge sind. Dies ist in der Regel ein Quadrat mit der Seitenlänge von 50 Metern (1 Morgen bzw. 0,25 ha), welches an den vier Eckpunkten um den Horst von einem/r Mitarbeiter/in der NABU-Naturschutzstation Münsterland abgesteckt wird. Zur Markierung der Ecken werden je nach Feldfrucht 1,5 bis 2,0 m Markierungsstäbe mit etwas rot-weißem Flatterband verwendet.
- NABU-Station meldet Fläche mit Brutverdacht oder Brutnachweis an die UNB und die Landwirtschaftskammer (LWK)
- Biodiversitätsberater (LWK) stellt Kontakt zum Betrieb her, sofern der Bewirtschafter dem Projekt-Team noch nicht bekannt ist
- Landwirte nennen voraussichtlichen Erntetermin –> die festgestellte Brut wird erneut kontrolliert
- Im Falle einer gescheiterten Brut oder bereits erfolgreichen Brut kann ganz normal geerntet werden
- Im Falle von Rohrweihenjungen im Nest wird auf der Fläche, wie oben erklärt, eine Schutzzone mit vier Markierstangen an den Eckpunkten eingerichtet, die bis zum Ausfliegen der Jungvögel stehen bleiben muss
- die Entschädigungszahlung richtet sich nach den aktuellen Richtsätzen für die Bewertung von landwirtschaftlichen Kulturen der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen und wird ab dem Tag der Ernte des Bestandes um die Schutzzone wirksam
- Der Landwirt trägt dafür Sorge, dass alle möglichen Beteiligten (Mitarbeiter, Lohnunternehmer, etc.) informiert werden, sodass die Brut nicht aus Unwissenheit zerstört wird
Rohrweihen-Jungvögel im Nest in einem Gerstenfeld (Foto: Anuschka Tecker)
Vermeidung von Störungen
Weihenhorste sollten nie in Eigenregie aufgesucht werden, denn jeder unnötige Besuch erhöht die Gefahr, dass Spuren für Beutegreifer zum Nest gelegt werden. Wenn Sie den Verdacht haben, ein brütendes Rohrweihenpaar beobachtet zu haben, melden Sie sich bei den rechts aufgeführten Ansprechpartner*innen.
Quellen
- Gedeon, K., C. Grüneberg, A. Mitschke, C. Sudfeldt, W. Eikhorst, S. Fischer, M. Flade, S. Frick, I. Geiersberger, B. Koop, M. Kramer, T. Krüger, N. Roth, T. Ryslavy, S. Stübing, S. R. Sudmann, R. Steffens, F. Vökler & K. Witt (2014): Atlas Deutscher Brutvogelarten. Atlas of German Breeding Birds. Stiftung Vogelmonitoring Deutschland und Dachverband Deutscher Avifaunisten, Münster.
- Gerlach, B., R. Dröschmeister, T. Langgemach, K. Borkenhagen, M. Busch, M. Hauswirth, T. Heinicke, J. Kamp, J. Karthäuser, C. König, N. Markones, N. Prior, S. Trautmann, J. Wahl & C. Sudfeldt (2019): Vögel in Deutschland — Übersichten zur Bestandssituation. DDA, BfN, LAG VSW, Münster
- Sudmann, S.R., Schmitz, M., Grüneberg, C., Herkenrath, P., Jöbges, M.M., Mika, T., Nottmeyer, K., Schidelko, K., Schubert, W. & Stiels, D. (2023): Rote Liste der Brutvogelarten Nordrhein-Westfalens, 7. Fassung, Stand: Dezember 2021. Charadrius 57: 75–130
- UMK-Papier (2020): Standardisierter Bewertungsrahmen zur Ermittlung einer signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos im Hinblick auf Brutvogelarten an Windenergieanlagen (WEA) an Land – Signifikanzrahmen.
Online unter: Vollzugshilfe – Signifikanzrahmen 11-12-2020 (PDF)
(abgerufen am: 06.08.2025)
Weitere Informationen
Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) fördert das Kooperationsprojekt „KLARO“ seit April 2025 vorerst bis Ende des Jahres im Rahmen des nationalen Artenhilfsprogramms mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMUKN). Ebenso ist NRW-Stiftung an der Finanzierung des Projektes beteiligt. Herzlichen Dank an die Fördermittelgeber!
Ansprechpersonen
Projektleitung
Aline Förster
NABU-Naturschutzstation Münsterland
Westfalenstraße 490, 48165 Münster
Tel.: 02501-9719433
Projektmitarbeiter
Thomas Laumeier
NABU-Naturschutzstation Münsterland
Westfalenstraße 490, 48165 Münster
Tel.: 02501-9719433
Projektmitarbeiter
Kristian Lilje
NABU-Naturschutzstation Münsterland
Westfalenstraße 490, 48165 Münster
Tel.: 02501-9719433
Projektmitarbeiterin
Anuschka Tecker
NABU-Naturschutzstation Münsterland
Westfalenstraße 490, 48165 Münster
Tel.: 02501-9719433
Projekkoordination
Dr. Britta Linnemann
NABU-Naturschutzstation Münsterland
Westfalenstraße 490, 48165 Münster
Tel.: 02501-9719433